Ich habe letztens einen Blogbeitrag gelesen, in dem es darum ging, dass die BDSM-Szene (bzw. eine Beziehung mit Machtgefälle) eine Person nicht retten kann. Dass sie nicht dafür zuständig ist, diesen Menschen wieder auf die Beine zu bringen oder ihm zu helfen, sein Leben auf Reihe zu bekommen. Ja, habe ich mir gedacht – genau so ist das! Es gibt kein Lebensumfeld, das einem hilft alle Probleme einfach so zu bewältigen. Ich habe mich durch SM Szene-Kontakte stark verändert. Ich bin eine ganz andere Frau, als noch vor drei bis vier Jahren. Nun könnte man ja natürlich behaupten, dass man sich im Laufe der Jahre ohnehin stark verändert. Vor allem wenn man eine Ausbildung anfängt, wieder abbricht, ein Jahr lang rumhängt und anschließend ein Femdom-Lehrgang besucht. Ich denke, dass mein Leben doch anders verlaufen wäre, wäre ich nicht ins Münchner BDSM-Umfeld hineingerutscht.
Ich bin selbstbewusster geworden, kleide mich körperbetonter und auffälliger
Ich kann mit respektlosen Kommentaren und abwertenden Blicken wesentlich besser umgehen als früher. Ich habe viele Bekannte, gehe öfter aus und habe endlich Anerkennung gefunden. Etwas, das ich früher nicht kannte. Und ich wurde gepusht! Je unterwürfiger ich war, je mehr Spuren ich vorzeigen konnte, desto größer war die Anerkennung der Betrachter/Zuhörer. Schnell fand ich heraus, dass echte Unterwerfung und längerfristig devot zu sein, nichts für mich ist. Schmerzen … Ja, die konnte ich aushalten. Darin war ich erprobt – Zähne zusammenbeißen, Augen zu und durch.
Niemals ein guter Weg, aber in einer solchen Situation sieht man selten den Abgrund, der sich vor einem auftut. Ich wurde immer »schmerzgeiler« und verpasste öfter den Punkt, an dem die Schläge aufhörten gut zu tun. Eben den Punkt an dem ich hätte sagen müssen: »Herrin hör auf – gib mir Zeit, ich brauche eine Pause – das wird gerade zu viel.« Ich hätte zugeben müssen, dass ich es nicht mehr aushalte, dass ich nicht stark genug bin, dass ich aufgebe. Irgendwann gewöhnte ich mich an die vielen Rohrstockschläge und mein Weltbild verschob sich, ich dachte, das müsse so sein. Genauso wie ich am Anfang fälschlicherweise dachte, man müsse als Sub der passiv spielt zwingend devot sein, anders würde es nicht gehen.
Ich war mir über vieles nicht bewusst – nur stolz auf die Striemen und blauen Flecken
Darauf, dass nach öffentlichen Domina-Sessions immer wieder Ladys aus München zu mir kamen und sagten, dass sie das nie ausgehalten hätten. Sie waren verwundert und schockiert, als ich sagte, dass die Demütigungen auf den Sado-Maso Partys harmloser sind, als das, was privat zu Hause in Bogenhausen abläuft. Kommentare von Usern, die hier im Kontaktportal und auf einschlägigen Plattformen hochgeladen wurden, taten ihr übriges. Bildmaterial, welches nur leichte Schlagspuren zeigte, wurde ignoriert.
War der Oberschenkel blutig, der Hintern möglichst dreifarbig und Hämatome noch nach Wochen deutlich zu sehen überschlugen sich die Tops mit Kommentaren. Wie geil das doch sei und die Bottoms wollen das doch genau so erleben. Doch die Schmerzen aus den Sessions taten nicht mehr gut. Sie halfen nicht mehr, um den psychischen Druck abzubauen. Nach den Treffen und Sitzungen zu Anfang meiner BDSM-Zeit fühlte ich mich frei und unbeschwert. Die psychische Last, welche auf meine Schultern drückte, war weg. Die physischen Reize, das Konzentrieren auf etwas ganz anderes, das Herausschreien der Leidgefühle – all das lenkte von den Alltagsproblemen ab.
Das machte einen großen Teil des Reizes sadistischer Rollenspiele aus. Loslassen, Verantwortung abgeben – doch irgendwann konnte ich das nicht mehr. Ich verlor immer mehr das Vertrauen in Femdoms und Spielpartner aus der Bayernmetropole. »Sehen die denn nicht, dass mir die Schmerz-Spiele mit Paddle, Peitsche und Gerte nicht mehr gut tun? Sie sind doch beim Painplay verantwortlich für ihre Sklaven. Sie sind doch meine Herrschaften! Ich habe ihnen Leib und Leben und vor allem meine Seele, meine Psyche zu Füßen gelegt – sie müssen doch sehen, wie sie darauf herum trampeln …?« Und so passierte es wieder und wieder. Ich war nicht in der Lage eine Notbremse zu ziehen. Ich meine damit nicht, einfach ein Safeword hinauszurufen, sondern Gespräche zu führen und, was meine Psyche anging, blank zu ziehen. Es kamen zwar immer mehr Bruchstücke ans Licht, aber die reichten bei Weitem nie, um das große Ganze im BDSM Kontext sehen und vor allem verstehen zu können.
Und so machte mich »die Szene« ganz allmählich mürbe und schließlich kaputt
Sie zerbrach mich. Zu Beginn jeder neuen, wie auch immer gearteten, D/s-Partnerschaft herrschte die Hoffnung vor, dass nun alles anders sein würde. Doch wie sollte es, wenn „der Rest“ noch gar nicht aufgearbeitet und verstanden war? Diese Abwärtsspirale führte dazu, dass ich mir ein selbstverletzendes Verhalten aneignete, um den psychischen Druck abzubauen. Doch wie viele wissen hilft so etwas nur kurzzeitig und mich machte es zudem noch unempfindlicher den anderen Schmerzen gegenüber. Mein Körper wurde stumm, oder mein Geist taub – ich weiß es nicht. Ich nahm Warnsignale, die Hilferufe meines Körpers nicht mehr wahr und wurde durch psychischen Druck physisch krank.
Nun versuchte ich, die Probleme mit neuen Kontakten, einem Machtgefälle, immer härteren SM-Sessions etc. zu lösen. Ich wurde äußerlich immer härter und mir wurde vorgeworfen gefühlskalt, oder gar herzlos zu sein. Egozentrisch, egoistisch und verschlossen – genau so, wie ich war, bevor ich mit der Sklavenerziehung begann. Nur mit dem Unterschied, dass ich es diesmal fast perfekt vor allen, die mich nur ein bis zweimal im Monat auf Stammtischen in München sahen, die mich nicht kannten, verbergen und sie durch meine nahezu perfekte Maske täuschen konnte. Ich habe mir oft die Frage gestellt, ob ich meine submissiven Neigungen restlos auslöschen würde, wenn ich es könnte – ich bin nie zu einer befriedigenden Antwort gekommen. Schließlich habe ich durch die BDSM-Szene viele Frauen kennengelernt, deren Freundschaft ich nicht missen möchte.
Ich habe durch BDSM in meinem Leben viel Schönes erfahren dürfen. Es war nicht alles schlecht! Nur überwiegt in unserer menschlichen Sichtweise/Erinnerung das Negative das Positive leider meist um ein Vielfaches. Nach dem letzten Treffen in meiner Dom/Sub-Beziehung habe ich versucht, alles auf null zu setzen. Ich war schockiert von mir selbst! Hätte ich mich in dieser Session von außen betrachtet, so wäre ich wohl davon überzeugt gewesen, dass diese Person, die auf dem Bett fixiert ist, weggesperrt gehört.
Ich war mir total unsicher, was ich denn nun bin: Devot – masochistisch – vielleicht sogar sadistisch oder dominant? Ich war mir nur sicher, dass ich so nicht weiter machen möchte. Eine Möglichkeit zum Ändern ergab sich recht bald, denn es wurde mir angeboten, eine 24/7 Sklavin zu werden. Leben bei einer Domina, arbeiten in ihrer Firma, mein jetziges Leben komplett beenden, alle Zelte abbrechen, vollständig von ihr abhängig, immer gut versorgt, jederzeit in jeder erdenklichen Weise für die Herrin verfügbar. Einfach aussteigen, abgesichert sein, ein neues Leben anfangen – welches aber eigentlich doch keins wäre, wenn man genauer darüber nachdenkt.
So entschied ich mich für den anderen Weg: Ein langsamer Neuanfang
Ja, ich habe schon verdammt viel durch im BDSM-Bereich. Ich bin durch Techniken, Peinigung, Sexspielzeuge und Partner „durchgehechelt“, ich wollte alles auf einmal erleben und fühlen. Mein Ich blieb dabei auf der Strecke. Ich lebte mitten in der »Weltstadt mit Herz« und habe nur oberflächlich gefühlt – ich wusste doch eigentlich gar nichts. Was ich nun versuchen möchte, ist vielleicht utopisch, aber ich werde ihn wagen – den bewussten Neuanfang. Alles neu erleben, aufgestaute Ängste abbauen und endlich fühlen lernen.
Was möchte man mit der Veröffentlichung eines solchen User-Beitrages erreichen? Man möchte eigentlich nur zum Nachdenken anregen. Wollen wir wirklich in einer so gefährlichen sexuellen Spielart, die höher, schneller, weiter Mentalität vertreten, pushen…? Auf welche Art von Sexualität jemand steht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Das will ich niemandem ausreden. Nur möchte ich den Unsicheren, denen, die gerade in die SM-Szene eintauchen, eben dies verdeutlichen. Mach was du möchtest, nicht das, was dominante Kontakte cool, oder geil finden. Wer das Gefühl hat: »Die Lady übertreibt – so was muss man doch in unserer heutigen aufgeklärten Gesellschaft niemandem sagen.« Das dachte ich auch! Wenn ich mich in meinem Umfeld etwas genauer umsehe, dann sehe ich da einige BDSMler, denen es genau so – oder ähnlich gehen könnte.